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06/2015

Ausgangslage – was ändert sich?

Durchsuchungen in Arztpraxen sind keine Seltenheit. Ermittlungsverfahren gegen Ärzte nehmen stetig zu und werden auch angesichts des im Herbst in Kraft tretenden Antikorruptionsgesetzes an Bedeutung gewinnen. Die Strafbarkeitsrisiken der Ärzteschaft liegen insbesondere im Bereich des Abrechnungsbetruges (§263 StGB), der fahrlässigen Tötung und der Körperverletzung (§§ 222, 223, 229 StGB), der Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse (§ 278 StGB) und - ab Herbst 2015 - der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen (§ 299 a StGB). Aber auch Pflegeeinrichtungen geraten immer stärker in das Visier der Ermittler.

Ermittlungsverfahren werden auch bei geringen Anlässen eingeleitet. Dann sind Durchsuchungen und andere Zwangsmaßnahmen wie Beschlagnahmen an der Tagesordnung.

Wo wird durchsucht?

Durchsuchungsobjekte bei niedergelassenen Ärzten aber auch Pflegeeinrichtungen sind die Arztpraxen bzw. die Geschäftsräume der Einrichtung selbst, aber auch Wohnräume. Bei Krankenhausärzten können die Verwaltungsräume, Archiv, das Arztzimmer sowie das Sekretariat und auch private Wohnräume durchsucht werden. Durchsuchungen sind immer unangekündigt und unerwartet. Die Maßnahmen selbst werden in aller Regel von Polizeibeamten in Uniform, Beamten der Steuerfahndung und/oder der Staatsanwaltschaft durchgeführt.

Wie wird durchsucht?

Je nach Größe des Durchsuchungsobjekts werden zum Zwecke der Durchsuchung mehrere Teams eingesetzt. Es können Lageskizzen und Lichtbilder gefertigt werden. Patientenkarteien bzw. auf dem Computer hinterlegte Dateien sind von besonderem Interesse. Der Durchsuchungsmaßnahme liegt in aller Regel ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss zu Grunde. Denkbar ist jedoch auch eine Durchsuchung ohne richterliche Anordnung bei Gefahr in Verzug.

Vor Beginn der Maßnahme wird dem betroffenen Arzt oder der Pflegeeinrichtung der Durchsuchungsbeschluss eröffnet und der Inhalt bekanntgegeben. Dem beschuldigten Arzt, Inhaber bzw. Geschäftsführer wird oft jegliche Kontaktaufnahme zu Dritten Personen untersagt, um den Durchsuchungszweck nicht zu gefährden. Bereits während der Durchsuchung versuchen die Ermittler Erkenntnisse zum Verfahren zu sammeln. Jede Spontanäußerung wird sich in der Ermittlungsakte in Form eines Aktenvermerks wiederfinden. Nicht selten kommt es vor, dass bereits vor Ort Mitarbeiter als Zeugen vernommen werden. Auch eine Beschuldigtenvernehmung kann bereits vor Ort erfolgen. Der schnelle Erkenntnisgewinn steht im Vordergrund.

Dem gilt es in jedem Fall entgegenzuwirken. Eine Äußerung in diesem Verfahrensstadium kann unübersehbare Folgen haben.

Was ist Gegenstand der Beschlagnahme?

Was ggf. beschlagnahmt werden soll, ergibt sich unmittelbar aus dem Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss. In aller Regel handelt es sich um Patientenunterlagen (in Form von Karteien oder Dateien). Je nach Ermittlungsstand können entweder nur bezüglich eines Einzelfalls oder aber auch sämtliche Unterlagen von der Durchsuchung oder Beschlagnahme erfasst sein. Sichergestellt werden können auch Behandlungsdokumentationen wie z.B. EKG-und Laborbücher sowie OP Berichte, aber auch Abrechnungsunterlagen sowie Vermögensnachweise. Hierbei spielt es keine Rolle, ob diese Unterlagen nur in Papierform oder digital auf dem Computer vorhanden sind. Auch die EDV wird sichergestellt und unter Umständen abtransportiert.

Wie verhalte ich mich richtig?

Oberstes Gebot ist, sich zur Sache selbst nicht zu äußern. Zunächst sollte man in Erfahrung bringen, wer der Ermittlungsführer ist. Die Durchsuchungsanordnung bedarf grundsätzlich keiner bestimmten Form. Sie kann daher mündlich, telefonisch und auch per Telefax ergehen. In aller Regel erfolgt sie jedoch schriftlich (wenn nicht Gefahr in Verzug besteht). In jedem Fall sollte man sich den Beschluss zeigen lassen und in Erfahrung bringen, was gesucht wird. Oftmals wird auch sofort eine Kopie ausgehändigt oder man erhält Gelegenheit, sich eine Kopie zu fertigen. Vor Beginn der Dursuchung ist darauf hinzuwirken, zunächst mit seinem Rechtsanwalt oder, wenn man noch keinen hat, mit einem auf Strafrecht spezialisierten Rechtsanwalt Kontakt aufnehmen zu dürfen.

Ein Gespräch mit dem Anwalt kann nicht verweigert werden.

Zulässig ist jedoch, dass ein Beamter den Kontakt herstellt. Das Gespräch darf jedoch vertraulich geführt. Der Verteidiger versucht, die Maßnahme abzuwenden bzw. mit deren Durchführung zuwarten zu lassen, bis er selbst vor Ort ist. Hierauf besteht zwar kein Rechtsanspruch, aber dem wird in aller Regel nachgekommen. Die wichtigste Verhaltensregel in diesem Fall besteht jedoch darin, sich auf keinen Fall zur Sache zu äußern. Häufig wird versucht, durch informatorische Befragung einen Erkenntnisgewinn zu erzielen. Spontanäußerungen können – auch ohne vorherige förmliche Beschuldigtenbelehrung – verwertbar sein. An dieser Stelle werden wichtige Weichen gestellt. Passieren hier Fehler, sind diese später kaum noch zu korrigieren. Die gesuchten Unterlagen sollten selbst zusammengestellt und zur Verfügung gestellt werden. Ein solches Heraussuchen kann eine vollständige Durchsuchung der Räume verhindern. Dies ist nicht gleichzusetzen mit einer freiwilligen Herausgabe. Zu achten ist nämlich darauf, dass eine förmliche Beschlagnahme erfolgt. Wie dies geschieht, weiß am besten der spezialisierte Anwalt.

Durch die freiwillige Herausgabe der Patientenunterlagen kann eine weitere Strafbarkeit wegen der Verletzung der Verschwiegenheit gem. § 203 StGB gegeben sein. Auch ein berufsrechtlicher Verstoß ist insoweit denkbar. Hierauf sind die Beamten hinzuweisen. Im Durchsuchungsprotokoll, welches nach Beendigung der Maßnahme auszuhändigen ist, muss dies vermerkt sein. Hierauf ist unbedingt zu achten.

Auch sollte erreicht werden, dass keine Originale, sondern nur Kopien mitgenommen werden. Originale dürfen nur dann mitgenommen werden, wenn es nicht nur auf deren Aussageinhalt sondern um das Dokument selbst geht. Sollte dies nicht abzuwenden sein, sind in jedem Fall Kopien von den beschlagnahmten Unterlagen zu fertigen. Dies darf nur untersagt werden, wenn hierdurch der Untersuchungszweck gefährdet wäre.

Im Durchsuchungs- und Sicherstellungprotokoll muss genauestens aufgeführt sein, was beschlagnahmt wurde. Auf die Erstellung eines solchen Protokolls ist hinzuwirken. Hierbei handelt es sich um ein Formular, welches die einzelnen beschlagnahmten Gegenstände bezeichnet. Hierauf kann auch angekreuzt werden, dass der Beschlagnahme widersprochen wird und eine freiwillige Herausgabe nicht erfolgt.

Praxistipp

In jedem Fall muss eine Konfrontation vermeiden werden. Mit einer gewissen Mitwirkung – wie oben beschrieben – kann man seine eigenen Interessen in jedem Fall besser wahren. Zu achten ist auch darauf, dass Mitarbeiter im Vorfeld bereits über ihre Rolle in einem Strafverfahren informiert werden. Alle Mitarbeiter kommen grundsätzlich als Zeugen in Betracht. Auch hier gilt der Grundsatz: “Reden ist Silber – Schweigen ist Gold“. Zu Verschwiegenheit sind ja nicht nur Ätzte sondern auch die Mitarbeiter verpflichtet. Jeder, egal ob Beschuldigter oder Zeuge, hat die Möglichkeit, vor einer Vernehmung sich Rechtsrat einzuholen. Im Übrigen sind auch Zeugen nicht verpflichtet, bei der Polizei Angaben zu machen. Nur einer Vorladung durch die Staatsanwaltschaft hat der Zeuge Folge zu leisten.

Wichtig ist, Ruhe zu bewahren und so schnell wie möglich anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. Die entscheidenden Weichen werden zu Beginn eines Verfahrens gestellt, Fehler lassen sich nicht korrigieren.

Caroline Kager
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Strafrecht


Dresden, im September 2015

Der vorstehende Artikel wurde mit der größtmöglichen Sorgfalt erstellt. Für die Vollständigkeit und Aktualität der Angaben können wir jedoch keine Gewähr übernehmen. Diese Information ersetzt nicht die Beratung im Einzelfall durch den spezialisierten Fachanwalt.























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