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Beratungshilfe

Es komme nicht einmal darauf an, ob bereits zuvor Beratungshilfe gewährt worden sei. Jedenfalls sei es der Beschwerdeführerin selbst zumutbar, kostenlos Widerspruch bei der Behörde einzulegen und bei der organisatorisch getrennten und mit anderem Personal ausgestatteten Widerspruchsstelle der Ausgangsbehörde vorzusprechen. Es sei amtsbekannt, daß es dort zu einer kompetenten und objektiven Bearbeitung der Widersprüche und gegebenenfalls zu einer kostenlosen Beratung komme. Ein vernünftiger, bemittelter Rechtssuchender hätte in dieser Situation keine anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen, sondern selbst bei der Behörde vorgesprochen. Es sei auch zu bedenken, daß der Bescheid von Amts wegen geprüft werde.

Gegen diese Entscheidung wandte sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Verfassungsbeschwerde.

Das Sächsische Staatsministerium der Justiz, dem die Verfassungsbeschwerde zugestellt wurde, wies in seiner Stellungnahme auf den Grundsatz eines sparsamen Umgangs mit den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln hin. Die von der Allgemeinheit zu finanzierenden staatlichen Leistungen sollten ungeschmälert dort eingesetzt werden, wo eine andere gleichwertige und kostengünstigere Hilfe nicht eingreife und der Rechtssuchende andernfalls rechtlos gestellt wurde. Rechtssuchende könnten darauf verwiesen werden, den einfacheren und billigeren Weg zur Behörde einzuschlagen.

Dem war nicht zu folgen, da nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die angegriffene richterliche Entscheidung die Beschwerdeführerin in ihrem Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG verletze.

Mit dem BerHG habe der Gesetzgeber den verfassungsrechtlichen Anforderungen zur Gewährleistung der Rechtwahrnehmungs-
gleichheit grundsätzlich Genüge getan und stelle sicher, daß Bürger mit geringem Einkommen und Vermögen nicht durch ihre finanzielle Lage daran gehindert werden, sich außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens sachkundigen Rechtsrat zu verschaffen. Die Auslegung und Anwendung des Gesetzes obliege in erster Linie den zuständigen Fachgerichten. Entsprechend dem für die Prozeßkostenhilfe geltenden Prüfungsmaßstab überschrtten die Fachgerichte jedoch dann den Entscheidungsspielraum, der ihnen bei der Auslegung der Bestimmungen des Beratungshilfegesetzes zukomme, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einem unbemittelten Rechtssuchenden im Vergleich zum Bemittelten die Rechtswahrnehmung unverhältnismäßig eingeschränkt werde. Dies war vorliegend der Fall, weshalb die Versagung der Beratungshilfe zu einer Ungleichbehandlung der Beschwerdeführerin führte.

Die Auffassung des Gerichts, der Rechtssuchende könne sich der behördlichen Beratung bedienen, erfülle nicht die Anforderungen an einen unabhängigen Rechtsrat. Dem bemittelten Rechtssuchenden steht mit dem Anwalt ein unabhängiges Organ der Rechtspflege zur Seite, den er frei auswählen kann und dessen Unabhängigkeit gesetzlich vorgeschrieben ist. Der Anwalt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet, darf keine widerstreitenden Interessen vertreten und ist unabhängig. Diese Anforderungen erfüllt die behördliche Beratung nicht, weshalb der Beschwerde statt zu geben und an das Amtsgericht zurückzuverweisen war.

Dresden, 19.06.2009
Volker Backs LL.M.
Rechtsanwalt

Quelle:Bundesverfasungsgericht